SAC Zofingen; Hochtourenwoche 2, Oetztal

19.-26.Juli 2008


Samstag, 19.7. Vent – Hochjochhospitz 2413m


Pünktlich vor 12 Uhr trafen zuhinterst im Oetztal die 12 Teilnehmer inkl. Bruno Schläppi unser Bergführer und Christian Stammbach als Organisator in Vent auf 1900 m ein. Gestärkt mit Schinkenspätzle im Bauch wurde bei sonnigem Wetter entlang dem Bach der Hüttenweg unter die Füsse genommen, dabei wurde bei einigen Kameraden, die 1989 im Oetztal durchgeführte Wintertourenwoche wieder in Erinnerung gebracht. Das Tal wurde immer rauer und wilder und nach 3 ½ Stunden erreichten wir die Hütte.



Sonntag, 20.7. Brandenburgerhaus 3272m und Dahmann Spitze 3397 m


Pünktlich um 8 Uhr verliessen wir die Hütte und stiegen auf dem zick-zack Weg steil bergan, an blühendem Eisenhut und Schafen vorbei, um auf 3000 m Höhe den Kesselwandferner zu betreten. Vor uns öffnete sich eine riesige Gletscherlandschaft, noch tief eingeschneit. Nach einer weiteren Stunde erreichten wir den Fuss vom Brandenburgerhaus, das 75 m über dem Gletscher thront und 1909 errichtet wurde. Vor uns wurden die 3 Ziele der Woche sichtbar, sowie die Weisskugel, die in der Wintertourenwoche 1991 bezwungen wurde und der Similaun mit der Fundstelle vom Oetzi. Um den Nachmittag zu verkürzen wurde noch kurz die hinter dem Haus befindliche Dahmann Spitze erklommen. Aufkommende Wolken verdeckten jedoch die Aussicht und schnell ging es zurück zur Hütte.

Heinz Bernhard


Montag, 21. Juli 2008 Naturschauspiel an den Hintereisspitzen


Seit Stunden fegt Sturmwind von Westen her über die kahlen weiträumigen Flächen des Gepatschferner zum Kesselwandferner, ohne Rast weiter am Fluchthorn vorbei um im Osten über die Wildspitze hinaus zu jagen. Mit gewaltiger Urkraft zerrt er am fünfstöckigen Steinbau der Brandenburger Hütte - Baujahr 1901! Die schwarze Nacht dauert länger als üblich in die Morgenstunden hinein. Zeit zum Aufstehen und nach dem Wetter zu schauen. Grau in Grau. Die zuckerweiss bepuderte Hütte gleicht einem verwunschenen Schloss in einer majestätischen Landschaft. Schnee und Wind die unvergleichlichen Gestalter im Hochgebirge haben uns mitten im Sommer einen leisen Hauch von Winter beschert. Peter findet, wir wären mit Skis wesentlich besser ausgerüstet statt durch schuhhohen Neuschnee zu waten. Bruno, unser Bergführer, peilt in direkter Linie die Hintere Hintereisspitze an. Wir folgen vorbildlich am gestreckten Seil aufgeteilt in drei Viererseilschaften. Was wir nun hier oben in dieser Abgeschiedenheit an Wettergestaltung erleben ist wohl grandios und einfach zugleich. Am westlichen Horizont liegt drohend über seine ganze Breite eine pechschwarze Wand sozusagen als Fundament und darüber in krassem farblichen Gegensatz, blendendweiss schwebende Zirren . Im Osten wirft die Morgensonne abwechslungsweise ihre Strahlen durch Nebel- und Wolkenfenster. Grau dampfend aufsteigender Kondens verliert sich nach und nach in Nichts. Über die endlose Eintönigkeit der Schneelandschaft wandern gespenstisch und schnell dunkle Schattenbilder von rasch dahineilenden Wolken. Markant erscheint die Spitze des Similauns. Gut sichtbar der Übergang mit dem grell beleuchteten Schneefeld wo einst zu Urzeiten Ötzi den Tod fand. Nicht im Gletscher – nein. Die Pfeilspitze eines Gegners oder eines Räubers oder gar eines Nebenbuhlers hat ihm das Leben ausgelöscht. Weiter im Süden, es muss über dem Timmeljoch sein, verzieren friedlich Schäfchenwölkchen den lichtblauen Himmel.

Nach einem Schluck Tee, nun mit Steigeisen, geht es gemächlich dem ersten Gipfel entgegen. Ganz oben angelangt, zeigt ein Blick über den lang hingezogenen Grat, von der Hinteren über die Mittlere bis zur Vorderen Hintereisspitze den strukturierten Aufbau des Massivs mit steil aus dem Gletscher herausragenden Felsbastionen und lose aufgesetzten Blöcken. Vor einem Jahrhundert waren sie noch in starres Eis gehüllt, was ihnen schon lange vorher den Namen gegeben hat. Nach der Besteigung der „Mittleren“ trennen wir uns. Christian begibt sich mit einer Sechsergruppe über den Gletscher zurück zur Hütte während sechs Unentwegte in einer kurzen, rassigen Steigeisenkletterei über gefrorenen schneebestäubten Fels die „Vordere“ erklimmen.

Wieder auf dem Felssporn unterhalb der Hütte angelangt, ordnen wir die Seile und freuen uns über die gelungene Tour. Da begegnen uns zwei Gestalten. Eine Sie und ein Er. Auffällig gekleidet, farbige Kniestrümpfe, bunte Jöppchen, Sonnenbrille. Snobistisch. Er mit Kamera ausgrüstet. „Na, wir gehen über den Gletscher bis zur Felsnase“, flötet Sie. Und sie starten zur entfernten Felsnase als wäre es ein Abendspaziergang auf dem Bürgersteig.

H.R. Odermatt


Dienstag, 22. Juli 2008, Weissseespitze 3518 müM


Heute war das Morgenessen auf 6 Uhr angesetzt, deshalb standen wir etwas früher auf als bisher. Abmarschieren wollten wir um 6.30 Uhr, warteten jedoch noch bis um 7 Uhr, da der Nebel noch sehr dicht auf dem Gepatschferner unterhalb der Brandenburgerhütte lag. Die Hoffnung, dass sich der dichte Nebel etwas lichten könnte, wie am Vortag, erfüllte sich leider nicht. Deshalb stiegen wir zum Gletscher ab, seilten uns an und begannen mit unserer Tour auf die Weissseespitze. Bei einer Temperatur um die – 10°C, starkem Gegenwind, teilweise mit Schneetreiben (typische Guxen) und einer Sichtweite von wenigen Metern, waren die äusseren Bedingungen doch recht unfreundlich. „Zum Glück machen das alle freiwillig“, bemerkte jemand treffend. Die meisten trugen sämtliche wärmenden Kleider, die sie mitgenommen hatten. So hielt sich das persönliche Wohlbefinden im Rahmen und die Stimmung war entsprechend gut. Bruno, unser Bergführer, marschierte los und kontrollierte mit dem Kompass von Zeit zu Zeit die eingeschlagene Richtung. Obwohl es leicht aufwärts ging, hatte man das Gefühl, dass es leicht hinunter gehe. Der Nebel war so dicht, dass viele das Gefühl hatten in einer Rinne von 2 bis 3 Metern Breite zu laufen. Nach ca. 2 Stunden Marsch lichtete sich der Nebel für einige Minuten und wir konnten in das Kaunertal hinuntersehen und dabei feststellen, dass wir „in den Wolken wandern“. Bruno nutzte die Gunst der Stunde und änderte die Richtung nach rechts. Von nun an ging es im Nebel bergauf, bis wir die Weissseespitze und das Kreuz auf dem Gipfel erreichten. Nach dem Eintrag ins Gipfelbuch – so zu sagen als Beweis dafür, dass wir unser Tagesziel tatsächlich erreicht hatten – machten wir uns auf den Rückweg. Nach etwa 15 Minuten frassen ein paar Sonnenstrahlen ein Loch in den dichten Nebel und wir konnten rückwärts blickend für kurze Zeit die Weissseespitze erkennen. Der Rückweg lief ähnlich ab wie der Hinweg. Nach etwas mehr als 6 Stunden erreichten wir wohlbehalten und zufrieden das Brandenburgerhaus.

Die sichere Führung unserer drei Seilschaften auf dem Gletscher in diesem dichten Nebel war alles andere als einfach. Dies zeigten Gespräche schon vor und auch nach dieser eindrücklichen Tour. Bruno hat es meisterhaft verstanden, uns mit Kompass und einmal mit GPS-Standortbestimmung mit einer sehr guten Routenwahl vorbei an Gletscherspalten kompetent und sicher zu navigieren. Herzlichen Dank dafür.

Otti


Mittwoch, 23.7. Fluchtkogel 3500m


Bei fast schon düppigen minus 5°C starteten wir um 7.45 – heute wieder mit vollem Rucksack – Richtung Oberes Guslärjoch 3361 m, welches wir nach 1 Stunde über den Kesselwandferner erreichten. Hier deponierten wir die Rucksäcke und nach einer weiteren halben Stunde ist der Gipfel des Fluchtkogels 3500 m unter unseren Füssen. Nach wie vor bläst ein kräftiger Nordwind, aber zwischendurch scheint die Sonne und wir können die Aussicht ins Tal geniessen. Via Guslärjoch und Guslärferner erreichen wir bereits nach 4 Stunden die Vernagthütte 2766 m und geniessen den freien Nachmittag.

Günter

 

Donnerstag, 24.7.2008, Hochvernagtspitze 3539m


Na endlich; schon am frühen Morgen, beim ersten Blick aus dem Fenster der Vernagthütte, wo wir übernachtet hatten, kündigte sich mit wolkenlosem Himmel und aufgehender Sonne ein Traumtag an. Der Abmarsch von der Hütte in Richtung Gletschermoräne zum grossen Vernagtferner war „zofingermässig“ um 0630 Uhr geplant, was so viel heisst, dass fast alle schon um 0620 Uhr abmarschbereit vor der Hütte standen. Der Letzte, der sich um 0628 Uhr noch zur Gruppe gesellte, war somit fast schon leicht verspätet.... Die ca. 200 Höhenmeter bis zum Gletscher waren schnell überwunden. Wir seilten uns “lang“ an, bildeten wieder die üblichen nun schon eingespielten 4-er-Seilschaften. Vorerst bewegten wir uns ohne Steigeisen im flacheren Teil des Gletschers aufwärts. Die Sonne tauchte immer mehr umliegende Berge in goldenes Licht und auch unser geplantes Tourenziel vom nächsten Tag – die Wildspitze – wurde immer schöner einsehbar. Die Hochvernagtspitze, unser heutiges Ziel, war vorerst noch nicht sichtbar. Wir mussten zuerst noch einen kleinen Felsriegel und den oberen, steileren Teil des Gletschers begehen. Oberhalb der Felsen machten wir eine Pause. Bruno unser Bergführer instruierte: „Etwas trinken, Steigeisen montieren, Seil verkürzen!“ Wir hatten Zeit, die immer bessere Aussicht auf immer mehr Berge und Gletscher zu geniessen. Je weiter wir hochstiegen um so eindrucksvoller das sich eröffnende Panorama. Mit der Krönung, dann auf dem Gipfel, wo wir von Ost bis West, von Nord bis Süd auch Berge wie Piz Bernina, Ortler, Königsspitze, Cevedale, Marmolada, Zuckerhütl und viele mehr erblickten. Bei fast windstillen Bedingungen hielten wir ausgiebig Rast, verpflegten uns und genossen das Dasein. Eile war keine gegeben, da wir für den Aufstieg 20 Minuten weniger als geplant benötigt hatten. Beim Abstieg folgten wir der „Direttissima“ und stiegen bis zum Gletscherende. Nun mussten wir einiges Geröll, Gletscherbäche und eine Eiszunge traversieren um wieder zur Moräne und dann zur Vernagthütte zurückzugelangen. Wir hatten dadurch den Weg rekognosziert, welchen wir am kommenden Tag zur Wildspitze in der Gegenrichtung nehmen wollten. In die Hütte zurückgekehrt hatten wir noch ausgiebig Zeit unsere Flüssigkeitsdefizite mittels Radler, Bier, Apfelschorle oder Wein zu beheben und dabei die „Hüttenmurmeltiere“ – eine Murmeltiermutter mit vier Jungen – bei ihrem putzigen Treiben zu beobachten. Jedermann freute sich schon auf das reichhaltige und gute Nachtessen und den vielversprechenden nächsten Tag.


Peter Jakob


Freitag, 25. Juli 08


Mach doch einfach einen kurzen, modernen Bericht und veröffentliche die GPS-Daten“ lautete ein nicht ernst zu nehmender Ratschlag aus der Tischrunde in der Breslauer Hütte.

Gesamt Dauer 8 ¾ Std. / Distanz 13.2 km / Aufstieg 1028 m / Abstieg 918 m.

Aber können solche Zahlen das Erlebnis einer Tour wiedergeben? Das kribbelnde Gefühl beim Warten in der vergehenden Dämmerung bei wolkenlosem Himmel vor der Vernagthütte auf den Aufbruch zu unserer Königsetappe; der Aufstieg über die grossen Moräne, die wir vom Vortag her schon kennen; die treffsichere Art, wie Bruno den Weg durch das Moränenlabyrinth im Gletschervorfeld findet; das Knirschen des Oberflächeneises bei jedem Schritt auf dem Gletscher, pardon, auf dem Ferner, wir sind ja in Österreich; das gläserne Klirren der vorbeisausenden Firnbrocken, als Bruno für uns auf einem steilen Stück Stufen schlug – all das können Worte knapp beschreiben, es lässt sich aber nicht mit Zahlen ausdrücken.

Inzwischen waren wir unterhalb des Brochkogel Jochs angekommen. Auch hier ging Bruno nicht den Weg der grossen Masse, sondern schlug für uns eine neue, kräftesparende Aufstiegspur in den 100 m hohen, steilen Firnhang. Oben ging es nach einer kurzen Verschnaufpause auf dem Gletscherplateau weiter, vorbei an seillosen Partien. Wir staunten. Das Gelände wurde allmählich steiler, es ging in Richtung Wildspitze. Steigeisen an, Rucksäcke deponieren und weiter über ein steiles Firnfeld auf den Schneegrat und empor wie auf dem Biancograt zum Vorgipfel und nach einer Traverse standen wir alle beim Gipfelkreuz auf der Wildspitze, 3768 m, dem höchsten Berg Tirols und nach dem Grossglockner dem zweithöchsten Berg Österreichs, und gratulierten einander. Seilschaften wie Tatzelwürmer kamen und gingen und wir mussten sogar noch warten, bis die Strecke wieder frei war und wir absteigen konnten. Ein kurzer Marsch zum Mitterkarjoch und wir stiegen in den klettersteigmässig eingerichteten Felsen auf den Mitterkarferner hinunter und nach weiteren 2 Std. auf dem Hüttenweg konnten wir uns - zuerst aber mussten wir zum Einchecken den SAC-Ausweis vorweisen – in der Breslauerhütte einen grossen Radler einschenken lassen und Rückschau halten auf einen wunderschönen Tourentag.


Peter Soland


Apropos GPS: Wer die Touren auf GoogleEarth betrachten möchte, findet die Daten hier oder auf unserer Homepage, Link „GPS“.



Samstag, 26.7. Heimfahrt


Wir dürfen ausschlafen, ist doch der Marsch zur Sesselbahn unterhalb der Breslauerhütte erst auf 8 Uhr vorgesehen. Alle suchen ihre Habseligkeiten zusammen, doch Christian Schläppi sucht vergebens nach seinen Schuhen. Im Gestell ist nur noch das gleiche Modell, jedoch eine Nummer kleiner. Der alte Sessellift bringt alle gesund nach Vent zurück und bei einem letzten gemeinsamen Kaffee danken wir Christian und Bruno für die umsichtige Planung und Führung, es war eine tolle Woche.

Heinz Bernhard